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AutorenbildAstrid Ziegler

Wo sind die Banater Schwaben?


Bei den Heimattagen 2019 in Temeswar

Im Laufe der Zeit stellte ich in Paulisch und als ich das Banat bereiste fest, dass eigentlich alles noch da war. Fauna und Flora (so wunderbar!), die Dörfer und Häuser und auch die rumänischen Nachbarn.

Mir fehlte aber die deutsche Minderheit, zu der ich ja auch zähle und die in den 70er Jahren in meiner Erinnerung noch stark in den Banater Dörfern vertreten war. Den Dialekt, aus der Kindheit vertraut, bei dem mir immer warm ums Herz wird, hört man nur noch selten. In Paulisch gibt es nur noch eine handvoll alte Leute, die ihn noch sprechen.


Vor fünf Jahren las ich bei meinen Eltern in der Banater Post, dass der Kreisverband München der Landsmannschaft der Banater Schwaben zu einer Weihnachtsfeier einlud. Mein ältester Sohn und die jüngste Tochter waren gleich interessiert und wollten mich dahin begleiten. Wir waren sehr gespannt auf diese Feier, auf die Menschen dort und auf spezifische Banater Traditionen. Sie fand im Saal der Freien Turnerschaft München statt, einem großen hellen Raum, der durch die schön dekorierten Tische noch einladender wirkte.

Es gab Kaffee, Kuchen und ein weihnachtliches Programm auf der Bühne. Dazu gehörte auch eine Darbietung von Kindern, die in ihren blauen Trachten, später sollten wir lernen, dass das Blaufärbertrachten sind, besonders nett aussahen. Das Highlight für alle anwesenden Kleinen war, dass ein echter Nikolaus im Bischofsgewand kam. Jedes Kind wurde ermutigt, zu ihm zu gehen und ein Gedicht aufzusagen. Victoria, damals 5 Jahre alt, im Kindergarten schon auf solche Situationen vorbereitet, ging ohne zu zögern hin, sagte ihr Sprüchlein und bekam eine riesige Geschenktüte.


Als wir nach Abschluß der Feier zufrieden und gesättigt (nach Kaffee und Kuchen hatte es auch Spanferkel gegeben) heim gehen wollten, kam auf einmal einer der Organisatoren auf uns zu und fragte die Victoria freundlich: "Möchtest du denn in unserer Kindertanzgruppe mitmachen?" Gespannt blickten wir auf die Angesprochene, insgeheim dachte ich mir “sag ja!” "Nein!" klang es kategorisch.

Doch dann überlegte sie kurz und fragte zurück: "Krieg ich dann auch so ein schönes Kleid, wie die Mädchen auf der Bühne?"

"Na klar, du bekommst sogar ein noch viel schöneres, nämlich eine Kirchweihtracht”, antwortete der "Anwerber", der sich als Korbinian vorgestellt hatte. Damit war das Casting für die Tanzgruppe erfolgreich.

Unser Leben wurde durch die Mitgliedschaft von Victoria in der Kindertanzgruppe enorm bereichert. Die Proben fanden unter der erfahrenen Leitung von Harald Schlapansky jeden Freitagabend statt. Während die Kinder mit Lisa Klingler und Bettina Wagner Walzer- und Polkaschritt übten, hatten wir Erwachsenen Gelegenheit, uns mit den Eltern der anderen Kinder auszutauschen. Da in jeder Familie ein Elternteil aus dem Banat stammte, waren schnell gemeinsame Gesprächsthemen und Interessen gefunden. Durch die rumänische Familie in Gruppe wurde auch oft rumänisch gesprochen.

Seit Vicky in der Banater Tanzgruppe mit dabei ist, gab es viele schöne Auftritte. Ein Highlight war die Kirchweih in München 2017, bei der nach einem festlichen Gottesdienst im "Alten Peter" mitten am Marienplatz getanzt wurde. Einheimische und Touristen staunten gleichermaßen über die schönen Trachten. Diese wurden auch stolz jedes Jahr im Winter beim großen Schwabenball präsentiert.

Etwas Außergewöhnliches war auch die Teilnahme der Gruppe am Trachten- und Schützenzug beim Oktoberfest 2018. Der Festzug führte 7 km über die schönsten Straßen und Plätze zur Theresienwiese. Die Kinder, damals noch sehr klein, bewältigten die Strecke ohne die geringsten Schwierigkeiten. Es machte ihnen sogar sichtlich Spaß zu laufen und in die Menge zu winken. In unserer Familie freuten sich vor allem die Großeltern: väterlicherseits, weil sie die Erste aus der echten Münchener Familie ist, die mitgemacht hat. Und meine Eltern freuten sich, dass ihre jüngste Enkelin als Erste in der Familie die Banater Tracht trägt.


Ein erster "interkultureller" bayerisch-banatschwäbischer Auftritt mit den Münchener Schäfflern fand im Februar 2018 vor Vickys Großelternhaus in München-Harlaching statt.

Die traditionsbewußten Münchener Großeltern pflegen schon seit vielen Jahren, die Fassmacher in den roten Jacken und schwarzen Kniebundhosen vor ihr Haus einzuladen. Die Schäffler, die ja traditionell in München nur alle 7 Jahre tanzen, waren einer alten Legende zur Folge die Ersten, die sich nach einer großen Pestepidemie wieder auf die Straße gewagt hatten. Mit ihrem lustigen Buchsbaumbogen Tanz hatten sie vor 500 Jahren den Leuten, die sich aus Angst vor Ansteckung nicht aus ihren Häusern getraut hatten, Mut gemacht, wieder auf die Straße zu kommen.

Das letzte unvergessliche Fest, an dem wir im Rahmen der Banater Tanzgruppe München teilnahmen, waren die Heimattage in Temeswar im Juni 2019. Trotz ungewöhnlich großer Hitze nahmen etwa 250 Trachtenpaare an der Parade teil, die durch die Temeswarer Altstadt führte. Für mich war es ein berührendes Erlebnis. Fast vierzig Jahre nachdem ich die Stadt verlassen hatte, lief meine Tochter, so alt wie ich damals beim Abschied, in der Tracht unserer Vorfahren auf dem Corso. Vor der Oper und am Freiheitsplatz wiegten sich die Paare in Walzer- und Polkaschritt, die bunten Trachtenröcke leuchteten vor der Kulisse des alten Temeswar.


Heuer werden die Heimattage in der Hauptstadt des Banats coronabedingt am 29. und 30. Mai im Internet stattfinden.

Dass es möglich ist, auch digital einen gelungenen Heimattag zu veranstalten, hat die HOG Billed schon am Pfingstsonntag auf Youtube vorgemacht → Billeder Heimattag 2021.

Die Banater Schwaben sind also präsent, vorläufig im Internet und hoffentlich bald auch wieder live bei ihren traditionsreichen Veranstaltungen.


Kinder der Banater Trachtengruppe München

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