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Update vom Beet in Zeiten der "Canicula"

Teil 2 von Das Experiment Gemüsegarten | Teil 1 |Teil 3

"Gelassen steigt die Nacht an Land… " während im Beet noch was geht

Das Getreide muß hitzebedingt schon einen Monat früher geerntet werden

Das ganze Banat ächzt unter einer frühen Hitzewelle, die schon im Juni einen Großteil des Lebens erheblich erschwert. Selbst in Paulisch, wo in anderen Jahren zu dieser Zeit aufgrund einer frischen Brise aus den Weinbergen angenehm sommerliche Temperaturen herrschen, sind Straßen und Wege tagsüber wie ausgestorben. Die Menschen igeln sich in ihren Häusern ein und warten auf die Abendstunden, um notwendige Verrichtungen zu erledigen. Das frühreife Korn wird, wie man auf dem Feld sehen kann, hitzebedingt schon im Juni statt Ende Juli eingebracht.


Das Paulischer Haus aus der Vogelperspektive

Wir sind zum Landhaus zum Beet im Garten gefahren, denn eine erste Ernte wartete auch auf uns. Als wir in den Hof einfuhren, zeigte das Thermometer im Auto um acht Uhr abends noch 36,5 Grad an. Beim Aussteigen fühlte sich die Luft wie eine heiße Wand an, gegen die wir knallten, gleich nachdem wir das klimatisierte Auto verlassen hatten. Erste Handlung, die ich instinktiv ausführte, noch bevor ich das für das verlängerte Wochenende spärliche Gepäck auslud: ich griff zum Wasserschlauch und goss. Das Beet sah etwas verwildert, doch fruchtbar aus.


Rosarote “Biokrumbiern” - eine gesunde Delikatesse

Kaum hatte man sich vom ersten Hitzeschock erholt, wurde das Beet begutachtet. Die “Paradeispflanzen” rechts im Bild waren in meiner Abwesenheit nicht hochgebunden oder ausgegeizt worden, doch sie wuchern üppig und gesund vor sich hin, die wildwüchsige Freiheit taugt ihnen offensichtlich. Das Klima im Banat ist den Tomaten so wohlgesonnen, dass wir auch in anderen Jahren eine maximale Ernte trotz minimaler Pflege hatten. Die Kartoffeln links im Beet hatten dagegen gelitten. Vom Coloradokäfer angeknabbert, von der Dürre geschwächt, hatten einige Pflanzen ihr oberirdisches Dasein schon beendet. Die Standhaftigkeit anderer robusterer Exemplare wurde durch Hacken und “Netzen”- so sagt man doch im Banat - belohnt. Die Kartoffeln mit dem vertrockneten Laub waren jedoch reif zur Ernte. 

Mit der Mistgabel wurden sachte, sachte die kostbaren Knollen ausgegraben, denen man so schön groß, prall und rötlich wie sie waren, gar nichts von Dürre oder Colorado anmerkte.


Update vom Beet nach drei Monaten

Die einzige Tageszeit, in der man arbeiten konnte, war der frühe Morgen oder der späte Abend. Das war wohl zur Zeit der Bauernwirtschaft schon so gewesen. Laut Erzählungen meiner Mutter, die als Kind in Paulisch diese Lebensform noch mitbekommen hatte, weckte ihr Großvater noch vor Sonnenaufgang so gegen 4 Uhr Lissi-Tante und Claudius-Onkel, spannte die Pferde Nunius und Puiu an, um aufs Feld zu fahren. Mittags war man dann wieder daheim, aber nicht für die Siesta, sondern um nach dem Mittagessen mit der Arbeit in Hof und Garten und in der Schmiede fortzufahren.


Der längste Tag des Jahres geht mit Arbeit im Garten zu Ende

Da unsereins die frühen Morgenstunden verschlief, musste  die Arbeit auf den Abend bis zum Sonnenuntergang gelegt werden. Eines meiner Lieblingsgedichte von Eduard Mörike Um Mitternacht hatte ich schon immer mit der im Ort meines Herzens erlebten Dämmerung  in Verbindung gebracht. 

Gelassen stieg die Nacht ans Land,

Lehnt träumend an der Berge Wand,

Ihr Auge sieht die goldne Waage nun

Der Zeit in gleichen Schalen stille ruhn;

Ich lernte das Gedicht im Deutschunterricht in München kennen, als meine Banater Heimat in der kommunistischen Zeit unerreichbar schien.


Blick auf den Weinberg in Paulisch

Als Kind saß ich zur blauen Stunde in der die gold’ne Waage zur Ruhe kam, oft im Fenster, blickte auf den Weinberg und beobachtete, wie die letzte elektrische Eisenbahn der “Motor” an der Haltestelle hielt, die Leute die ausstiegen und nach vollbrachtem Tagwerk heimwärts strebten.  


Nun bearbeitete ich zu dieser Stunde das Beet im Garten. Das am frechsten gewucherte Unkraut, pardon, Beikraut zog ich ruckartig heraus, Auberginen (Vinete), Tomaten (Paradeis), Paprika und Gurken ( Umorke) wurden gegossen, pardon genetzt. 

Die Fokussiertheit auf das Beet war groß, doch ich hatte auch immer wieder den fantastischen Sonnenuntergang im Blick, der sich nach einem der  längsten und heißesten Tage hinter unsern Bäumen vollzog, dort wo in der Verlängerung das verregnete München liegt.

In der Nähe der bayerischen Landeshauptstadt gibt es ein Keltendorf, in dem den Besuchern die Lebensweise dieser keltischen Vorfahren nahe gebracht wird. 

Auch vom Aussterben bedroht ist inzwischen die Lebensart der Banater Schwaben. Inzwischen gibt es zahlreiche Heimatstuben und Museen, in denen zum Beispiel Haushaltsgegenstände, Kleidung und Möbel der Banater Schwaben ausgestellt sind. Zuletzt eröffnete in Charlottenburg das "Şvabenland" seine Tür und Tor. Wie wäre es mal mit Selbstversuchen, um die Lebensweise unserer Vorfahren auszuprobieren? Man könnte diese lobenswerten Einrichtungen ergänzen mit Seminaren zu Brotbacken, Wein machen, Kochen, Handarbeiten und anderen Kulturtechniken, die von unseren Vorfahren ausgeübt wurden.

Die Kelten zeigten die Sommersonnenwende durch Feuer auf den Höhen an. Ein Sonnwendfeuer auf den Paulischer Weinbergen…? Undenkbar bei der Hitze! Man wünscht sich stattdessen kühles Wasser. 

Und kecker rauschen die Quellen hervor,

Sie singen der Mutter, der Nacht, ins Ohr

Vom Tage,

Vom heute gewesenen Tage.


Die Neupaulischer Kirche als Kulisse zum Erntegeschehen

Nach dem Ernten wurden Krumpiern, Umorke und Riesenzucchini in Kisten gepackt und transportfähig hergerichtet. Zucchini, das neumodische neudeutsche Wort, kannte man früher natürlich nicht. Zu der Jahreszeit bereitete meine Omi die in Brösel und Ei gebackenen Kerwusscheiben zu, die mir damals total gut schmeckten. Die Kerne darin waren noch weich und die Schale auch, die Panade dagegen frisch und knusprig.


Tropfen der Transpiration fallen und verdunsten augenblicklich auf dem überhitzten Boden

Doch auch die Fehlschläge im Experiment sollen nicht verheimlicht werden. Die Erbsen sind mickrig gewesen und hatten keinen Ertrag gebracht. Ich hackte die inzwischen überwucherte Reihe im wahrsten Sinne des Wortes im Schweiße meines Angesichts. Tropfen der Transpiration fielen und verdunsteten augenblicklich auf dem überhitzten Boden. Schwitzend die Hacke schwingend, fiel mir die “Regentrude” von Theodor Storm ein, Schullektüre, die wir literarisch frühreifen Schüler in Deutsch schon in der vierten Klasse als Lesestoff im Buch “Durchs Märchenland” präsentiert bekamen. Es geht darin bekanntlich um die Not, die durch Dürre in einer bäuerlichen Gesellschaft entsteht. Die Regentrude, eine  allegorische Figur für Feuchtigkeit und Fruchtbarkeit ist eingeschlafen und wird von einem Bauernmädchen geweckt. Der magische Spruch zur Erweckung geht so: 

Dunst ist die Welle,

Staub ist die Quelle!

Stumm sind die Wälder,

Feuermann tanzt über die Felder!

Wie passend diese Worte, die ich im Gedächtnis habe, an Tagen wie diesem.


Alte Treppe, neue Ernte

Zu dem vorhin schon erwähnten Gemüse gesellen sich die letzten Weichseln des Gartens und die ersten gereiften Marillen. Das frische Gemüse inspiriert zu Rezeptvariationen, die altbekannte Gerichte abwandeln. Überhaupt, die Erfahrung, alles was man für ein köstliches Essen braucht, frisch aus dem Garten zu holen, ist schon etwas ganz Besonderes. Bei der Gärtnerin macht sich ein tiefes Gefühl der Zufriedenheit breit, durch welches das Experiment Gemüsegarten sich für sie schon jetzt vollkommen gelohnt hat. Im August zur Ernte der Paradeis, Paprika und Vinete könnte dann ein neues Level ausprobiert werden. Wie würde es sich anfühlen, täglich, noch bevor die Sonne den Weinberg erklimmt, aufzustehen und das Tagwerk zu verrichten. 


Füllung ohne Speck dafür mit Sojagranulat, Käse und Ei.

Das Ende vom Tag und vom Lied: Überbackene Riesenzucchini im Backrohr mit Tomatensauce aus eingekochtem Bullion (Tomatensaft) von der Nachbarin. Die Füllung speziell für meinen Erntehelfer aus Deutschland, der Vegetarier ist, ohne Schunka und Speck, sondern aus Sojagranulat mit Käse und Ei. Wir finden sie sehr köstlich, auch wenn die Ahnen “Jeususchmaria” dazu gesagt hätten  oder “Jessusgott im Himmel”!


Wir verschlangen hungrig unser Nachtessen nach getaner Arbeit an einem Tag, an dem man vor Hitze kaum etwas heruntergebracht hat. Um Mitternacht begann die unruhige Nachtruhe im überhitzten Gemäuer. Während es draußen selbst nach dem Sonnenuntergang kaum abkühlte und die heiße Luft vom uralten Dachstuhl in mein Schlafzimmer drückte, flüsterte ich der Regentrude träumend ins Ohr: 

Nimm dich in acht!

Eh du erwacht, 

holt dich die Mutter 

heim in die Nacht!

4 comentários


Convidado:
27 de jun.

Wunderschön, liebe Astrid. Erinnerungen, Alltägliches, Sommerhitze, Arbeitseinsatz, geerntete Gartenfrüchte, Wortspiele und literarisch-passende Passagen wurden zu einem Mix zusammengefügt, dessen Lektüre viel Spaß macht und obendrein gewürzt ist mit herrlichen Bildern. Man wäre am liebsten dabei.

Herzlichst

Edith

Curtir
Convidado:
28 de jun.
Respondendo a

Liebe Karin, wie schön, dass du mal wieder vietuell mitgegangen bist. Natürlich lade ich dich auch ganz real nach Paulisch ein. Vielleicht magst du eigfne Texte und Gedichte mitbringen, die wir in einerLektüre zusammen lesen können.

Liebe Grüße in den "hohen Norden"!

Herzlichst Astrid

PS: Das ist ja schön, dass die Großfamilie Zippel sich über die Banat-Tour-Seite gefunden hat 🤗

Curtir
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