top of page
AutorenbildAstrid Ziegler

Stimmen zur Russlanddeportation


Malerei von Juliana Rausch

Die Resonanz zu dem Beitrag "Dekathlon in Russland" war unerwartet groß. Es ist sehr berührend, wie viele betroffene Angehörige über das Leid ihrer Familien berichtet haben. Wir möchten einige dieser Stimmen in diesem gemeinsamen Beitrag vereinen, in einem traurigen Chor sozusagen, in dem auch diese Tragödien Beachtung finden. Damit dieses schlimme Kapitel nicht vergessen wird. Es eint uns in der Familie und als Deutsche aus Rumänien. Das ist heute das tröstliche daran, denn Schmerz ist immer noch da, auch in der Generation der Enkel.


Liebe Astrid, so eine Geschichte habe auch ich von meinem Mann seiner Oma gehört, die 5 Jahre in Russland war, 2 kleine Kinder (2 und 4 Jahre alt) und einen behinderten Mann zu Hause lassen musste, da könnte man viel erzählen ... eine traurige Geschichte!!!


Hallo Astrid, kenne die Geschichte, mein Opa war auch in Rusland. Er hat uns immer erzählt was da alles passiert ist. Eine sehr traurige Geschichte.


Mein Papa war auch dreieinhalb Jahre in Russland. Er kam aber auch wieder zurück, war aber ein anderer Mensch geworden.

Er hat und auch viel erzählt, mir kommen heute noch die Tränen wenn ich zurückdenke. Es war schlimm.


Mein Vater, beide Großväte, Tanten und das halbe Dorf wurden nach Russland deportiert! Viele kamen nicht mehr zurück so wie die Schwester meines Vater starb nur nach 3 Monaten Traurig!


Liebe Astrid, zu meiner Oma (Verschleppung) ist mir noch etwas eingefallen, das du gerne einfügen darfst. Die Oma war im Schornstein versteckt und wurde nicht gefunden! Aber, als die Leute auf der Straße zusammen getrieben wurden und vor Schreck und Schmerz schrieen, konnte sie es nicht lange aushalten. Aufgrund der Werte, mit denen sie erzogen war, fand sie es nicht rechtschaffen, sich weg zu ducken und stellte sich. Vielleicht hätte sie das nicht tun sollen ... Aber - wer weiß, wie wir uns in jener Notlage verhalten hätten.


meine Eltern wurden aus ihrer Heimat vertrieben. Meine Mutter konnte durch schwere Krankheit in ein Krankenhaus. Von dort ist sie später geflüchtet und hat meinen Vater und Bruder gesucht. Meinen Vater hat sie in Friedberg gefunden, mein Bruder kam erst mit fast 12 Jahren zu meinen Eltern. Das das heißt in verschiedene Lager mit Tod und Misshandlungen zu den Eltern zu kommen, die man nicht kennt. Das ganze Familienleben war eine Katastrophe, auch für mich, die später auf die Welt kam. Meine Mutter hat nie über die Zeit in der Gefangeschaft in Russland gesprochen. Sie blieb eine harte Frau ohne Lachen und Freude, nur Pflichtbewustsein und viel Arbeit. Wir als Kinder sind so schnell wie möglich aus dem Elternhaus ausgezogen. Aber wir tragen unser Paket Elternhaus mit uns.


Mein Opa und mein Onkel (Bruder meines Vaters) waren auch in Russland, eine schlimme Zeit. Leider kam mein Opa ohne seinen Sohn zurück. Mein Onkel ist mit 18 Jahren in der Grube gestorben. Es ist eine traurige Geschichte.


Ja ich verstehe dich sehr gut ... auch mir hat meine Oma ihr Schicksal erzählt ... Flucht mit 7 Kindern, das kleinste ging beim Bombenalarm verloren, nach 3 Jahren hat sie es durchs Rote Kreuz gefunden, dadurch späte Rückkehr in die Heimat wo der Opa sofort eingesperrt worden war. Ausbruch aus dem Foltergefängnis, bittere Armut, Verrat durch eigene Leute, erneut eingesperrt ... ausgebrochen ... versteckt im Nachbardorf im Pferdestall, ständige Angst, erneuter Verrat, abgeführt wie ein Verbrecher vor den Augen der Familie ... das hat die Oma mir erzählt aber nie anklagend, nie verbittert.. mich hat genau diese Haltung zeitlebens gerührt, es gab ihr Würde..ich hab immer um den Opa gezittert und geweint weil er war nicht der Gesuchte..er hatte nur den gleichen Namen ... der andere hat sich freigekauft ... ich fand es ungerecht was dem Opa unschuldig widerfahren ist, von den Stalinisten besonders aber von den eigenen Landsleuten ... aber diese Meinung hab ich mir selber gebildet ...die Oma hat nur die Tatsachen geschildert... und am Schluss immer gesagt: "des wor damals so ... es ware schlimme Zeide" ... das wars ...


Liebe Astrid, der Artikel führt sehr gefühlvoll und mit Liebe zum Detail durch diese schwere Zeit Deines Großvaters. Meine Oma väterlichseits war für 5 Jahre deportiert (Kriwoj Rog). Sie hat 2 Kinder (2 und 4 Jahre alt) verlassen müssen. Opa war noch im Krieg. Sie wussten 7 Jahre lang nichts voneinander. Zu allen Überfluss wurde Omas jüngere, ledige Schwester sehr krank im Arbeitslager. Paar Tage davor hat Oma ihre Entlassungspapiere erhalten, weil sie 2 Kinder zurücklassen musste. Da hat Oma zugunsten ihrer Schwester auf die Rückkehr verzichtet und ihr die Entlassungspapiere überlassen. Ansonsten wäre ihre Schwester dort zugrunde gegangen. Oma konnte sich "besser durchbeissen". Ihre Schwester war zu zart. Ja, sie hat uns viel erzählt. Leider war ich zu jung um mir alles zu merken oder aufzuschreiben. Ich denke, für Oma war durch ihre regelmäßigen Erzählungen eine Art Traumabewältigung möglich. Wir können nur ansatzweise erahnen was diese Menschen durchgemacht haben und trotzdem ihr Leben (die meisten von ihnen) wieder in Griff bekommen haben. Meinen Respekt haben sie allemal!


Am 1. Oktober 1945 begannen in Nürnberg die Prozesse der Alliierten gegen die deutschen Hauptkriegsverbrecher. Zu den Kriegsverbrechen gehörte auch die Verschleppung zur Zwangsarbeit. Neun Monate vorher, am 18.01.1945, schrieb der britische Premier Winston Churchill an seinen Außenminister Anthony Eden: „Warum machen wir so viel Aufhebens um die russische Deportation von Sachsen und anderen aus Rumänien? Es galt als vereinbart, dass die Russen in dieser Sphäre ihren Willen durchsetzen sollen.“ Und tags darauf: „In Anbetracht all dessen, was Russland erlitten hat (…) und angesichts des Elends der Menschen in vielen Teilen Europas kann ich nicht erkennen, dass die Russen etwas Falsches tun, wenn sie 100.000 oder 150.000 dieser Menschen ihre Vergehen abarbeiten lassen.“ Dass auch Soldaten und Offiziere der rumänischen Armee zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion verschleppt wurden, wenn ihnen der „Makel“ anhaftete, Rumäniendeutsche zu sein, ist für Rumänien besonders beschämend; zeigt sich doch daran, wie willfährig die damalige rumänische Regierung den Willen Stalins befolgte und nichts unternahm, um ihre Staatsbürger (in diesem Fall sogar ihre Militärangehörigen, die seit dem Frontwechsel Rumäniens am 23. August 1944 zu den Siegern des Zweiten Weltkriegs gehörten) zu schützen.


Bei mir waren es 3 Großeltern, die verschleppt wurden, mein Großvater väterlicherseits war ein 3/4 Jahr vorher in Jugoslawien gefallen, sonst wäre er auch dabei gewesen, mein Vater war zu der Zeit 8 und meine Mutter 6 als man sie von ihren Eltern trennte. Nach über 4 Jahren kamen sie Gott sei Dank wieder zurück, traumatisiert und körperlich am Ende ... Wenn meine Eltern Jahrzehnte später von ihrer Kindheit sprachen standen ihnen Tränen in den Augen und mir auch ... dieser Schmerz wird nie vergehen. Wir können nur daran erinnern, das sind wir unseren Großeltern und auch Eltern schuldig!


Weihnachten 1944 war für unsere Familie ein trauriges Fest. Wir hatten gerade unseren erst 14 Jahre alten Bruder verloren. Mit der Roten Armee kam auch Typhus in unser kleines Dorf. Damals wurden viele Kinder von der Krankheit dahingerafft, und fast alle Dorfbewohner hatten Tote zu beweinen.

Wir glaubten, dass es nichts Schlimmeres geben könnte, doch es war noch nicht alles. Alle freuten sich, dass die Feiertage vorbei waren und hofften, der Schmerz würde nachlassen, als am 13. Januar 1945 ein neues Unglück hereinbrach. Alle im Alter von 18 bis 40 Jahren sollten sich bereithalten, um in der Sowjetunion Aufbaudienste zu leisten.

Ich möchte nicht falsch verstanden werden. Mir ist klar, dass unser Elend nicht erst 1944 begann, sondern nur eine Folge der Ereignisse von 1933 war. Doch fühlten wir uns schuldlos, denn zum Zeitpunkt der Deportation war meine Schwester erst 20 Jahre alt und ich erst 22.

Den Tag des Abtransportes werde ich nicht vergessen. Es war bitterkalt und schneite. Auf einem Leiterwagen wurden wir 16 km weit zur Sammelstelle gefahren. Mein kleiner Bruder, der am 30. Januar seinen achten Geburtstag feiern sollte, lief hinter dem Wagen her und wollte wissen, was für ein Geburtstagsgeschenk wir ihm mitbringen würden. Nach geraumer Zeit trugen ihn seine dünnen Beine nicht mehr, und wir konnten ihn nur noch als kleinen schwarzen Punkt in der Ferne ausmachen.

Nachdem wir die Sammelstelle erreicht hatten, wurden wir in Viehwaggons verfrachtet und traten eine mehrtägige Reise an. Essen und Getränk hatten wir zum Glück in unserem Gepäck, denn daran hatten unsere bewaffneten Begleiter nicht gedacht.

Wenn wir auch nur noch einen kleinen Rest Zuversicht hatten, so wurde uns diese geraubt, als sich an unserem Ziel die Lagertore hinter uns schlossen. Wir durften in Holzbaracken, durch deren Ritzen der Wind pfiff, Quartier beziehen, auf verwanzten Pritschen.

Unsere täglichen Mahlzeiten bestanden aus Kraut- oder Gurkensuppe, wobei man sich glücklich schätzen konnte, wenn man in seinem Napf ein Krautblatt oder eine Gurkenscheibe fand, dazu gab es ein Stück klebriges schwarzes Brot für den ganzen Tag.

Arbeiten mussten wir von Tagesanbruch bis in die Dunkelheit in einer Kohlengrube.

Zuerst starben viele Männer, doch dann raffte der Hunger und die Kälte auch Frauen dahin. Unser Lager in Dnjepopetrowski wurde nur noch Krepierlager genannt. Als dann auch noch Typhus ausbrach, reduzierte sich der Lagerbestand auf die Hälfte.

Um zu überleben, aßen wir alles, was wir finden konnten, selbst die herumstreunenden Katzen waren vor uns nicht sicher. Wir kochten sie in leeren Konservendosen, um nicht an Trichinose zu erkranken.

Zur Außenwelt hatten wir keinen Kontakt und durften auch keine Briefe schreiben. Später wurde es etwas erträglicher, wir konnten das Lager für einige Stunden verlassen und bettelten im Dorf, bei Menschen, die auch kaum zu essen hatten.

Wir litten und bezahlten fast fünf Jahre für einen von uns nicht verursachten Krieg. Als wir im November 1949 nach Hause durften, mussten wir unsere Vergangenheit allein bewältigen.


Meine Mutter, Elisabeth Heinrich. 5 Jahre Zwangsarbeit, Donbas Region.


Es ist erschütternd, dass es im Banat kaum eine deutsche Familie gibt, die von solchen tragischen Ereignissen verschont wurde. Die kleine Schwester meiner Mutter ist mit 18 Jahren im Lager gestorben. Da ofiziell keine Mitteilung kam, hat meine Oma jahrelang gehofft, dass sie noch auftauchen würde. Die Schwester meines Vaters hat dreieinhalb Jahre lang im Donbas in Grube und Ziegelei gearbeitet. Meine Mutter wurde verschont, weil ich noch unter einem Jahr alt war. Als mein Vater aus der Kriegsgefangenschaft heim kam, musste er als gewesener deutscher Soldat jahrelang als Übersetzer beim Militaergericht unentgeltlich arbeiten. Es klingt unglaublich, aber ich habe noch die Unterlagen. Ohne meine Grosseltern wären wir verhungert. Ja, es gäbe viel zu erzählen.


"Wann kommen Vater und Mutter?" - Malerei von Franz Ferch

Comments


bottom of page