Lyrik von Katharina Eismann für die Banat-Tour
Sigrid Katharina Eismann ist Lyrikerin, Autorin, Künstlerin und Übersetzerin. Nach dem Besuch des Nikolaus-Lenau-Lyzeums emigrierte sie 1981 mit ihrer Familie in die Bundesrepublik Deutschland.
Das Paprika Raumschiff
Eismann nimmt uns mit auf eine faszinierende literarische Reise durch Zeit und Raum: Sie wirft pulsierende Schlaglichter auf ihr Leben im rumänischen Banat und in Hessen - mit großer Erzähllust und lebenspraller Sprache.
Jörg Armbruster, Südwestrundfunk
Die Schriftstellerin Sigrid Katharina Eismann ist mit dem Paprikaraumschiff auf der Banat-tour gelandet. Wir entdecken schnell Schnittstellen. Wir kreisen um die gleichen Themen, um die Banater Herkunft, um die Kindheit in Temeswar, die Auswanderung in jungen Jahren und deren Folgen. Auf der Banattour nähern uns den Phänomenen auch über Fotos, Videos und Prosatexte, nun auch durch die Poesie von Katharina Eismann bereichert.
Die Liste der begeisterten Rezensionen, in denen genau auf die Poetik von Katharina Eismann eingegangen wird, ist lang.
Ihr geplanter Lyrikband, der im Juni 2022 erscheinen wird, und auf den man schon gespannt sein darf, trägt den Titel "Dschangakinder". In dem Dialog, der sich darüber zwischen uns entspannte, tauschten wir uns auch über unsere Generation, die der Kinder, die das Banat noch erlebt haben.
Wir fragten uns dabei auch: "wer braucht heute noch Gedichte?"
Die Antwort lautet: "eigentlich alle". Die Menschen wissen das nur nicht.
Katharinas Gedichte sind Geschenke an alle, die empfindsam und offen dafür sind. Eines morgens schickte sie auch mir das Gedicht "Reiselied für Astrid". Darin greift sie Bilder unserer Banat-tour auf und komponiert sie mit eigenen Metaphern zu einem gemeinsamen Erlebnis. Das sinnliche Bildwort dient als Wegkreuzung auf unserer gemeinsamen Tour.
Wenn die Paprika mit dem Mook
von Sigrid Katharina Eismann
Reiselied
Für Astrid
in der Mohnkapsel sitze ich nun
Signalfarbe ausgelaufen
Gedichte auf dem Schoß
und der Schaffner zählt
die Sonnenblumenkerne
in der staubigen Loge
sorglose, störrische Zöpfe
die Pionierkrawatte aus Polyester umgebunden
erst gestern in der ruppige Limousine
durch die Kindheit gerast
mit dem grünen Pfeil nach Billed ohne bilete
oder in die Zitronenstraße
Schulmodle in verschwitzten Uniformen
Sonnen- und Wolkenkleidern
an welcher Haltestelle sind sie ausgestiegen
fragte ich den weißgekalkten Biereboom
den alten Meister:
in meinen Nestern
in meiner Krone
flirren Gesichter
ihre Geschichten, Früchte
atmen in den Dingen die uns singen
fragile Stimmen im Gras
Zuckerbirnen kaum gestrandet
an der Wäscheleine ausgewandert
verjährt, nicht verzagt
gären seidige Pflaumen
Fallfrucht aus Leidenschaft
mittendrin im Flieder
nichts verschwiegen
nostalgische Tinte ein rotes Tuch
zartes und überreifes Spiel
Leere und doch wieder Pipatsch
am Feldrand Geschnatter
die Wiese randvoll
ein Leuchtstrudel
der angeflammte Sockel
so was wie Erde
Notizen im Ziegelpulver
so ein Zinnober
sinnliche Orte
kneten uns die Worte
wie frisches Brot
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