Der 6. Januar, der Dreikönigstag, ist ein besonderer Feiertag in der Reihe der winterlichen Feste, der mir inzwischen der Angenehmste ist. Nicht mit der Erwartungshaltung des Weihnachtsfestes behaftet, an dem alles perfekt sein muss, kommen die drei Könige mit ihren Gaben eigentlich entspannt daher.
Mit dem Begriff “Heilige Drei Könige” bezeichnet die katholische Tradition die im Matthäus Evangelium erwähnten Weisen aus dem Morgenland. Im Neuen Testament steht jedoch weder, dass sie zu dritt waren, noch wie sie heißen, noch dass sie heilig waren und auch der Königstitel ist nicht überliefert. Lediglich Tertullian, der römische Schreiber der Kirche und Schöpfer des Kirchenlateins im 3. Jahrhundert notierte, dass sie wie Könige auftraten. Der Titel “rex” hatte im römischen Reich nicht so eine hohe Bedeutung wie im Mittelalter und wurde geradezu inflationär vergeben. Die Legenda Aurea deutet sie als Sterndeuter, Philosophen und Magier. Eine unbestimmte Anzahl von weisen Männern mit unterschiedlicher Hautfarbe kamen also laut Überlieferungen um Jesus anzubeten und machten dadurch seine Göttlichkeit sichtbar. Das klingt nach einem modernen, politisch korrekten Feiertag der durchaus Interpretation zulässt. Ob auch weise Frauen zu Jesus zur Krippe kamen ist aus der damaligen patriarchalen Gesellschaft nicht überliefert.
Bei den Sternsingern, die rund um den Dreikönigstag von Haus zu Haus gehen, die frohe Botschaft verkünden und mit geweihter Kreide die traditionelle Segensbitte C+M+B (Christus mansionem benedicat=Christus segne dieses Haus) mit der jeweiligen Jahreszahl an die Tür schreiben, sind natürlich auch Mädels dabei.
Im Banat, selbst in der Stadt wo wir wohnten, gab es in meiner Kindheit den schönen Brauch, dass am 6. Januar Enkel und Enkelinnen zu den Großeltern zum "Wünschen" gingen.
Ein Holzschnitt von Walter Andreas Kirchner stellt das Dreikönigs Wünschen sehr schön dar: Die Großeltern bekommen in ihrer guten Stube Besuch von ihren Enkelkindern. Es ist idyllisch: Auf dem Kachelofen schläft die Katze, an der Wand tickt die Pendeluhr, die Oma hält Krapfen in den Händen. Die Enkel, zwei Buben und ein Mädchen, sind festlich gekleidet. Man hört sie förmlich den traditionellen Spruch aufsagen:
Ich wünsch, ich wünsch ich weiß nicht was, greif in den Sack und gib mir was.
Ich bin ein kleiner König,
gib mir nicht so wenig, lasst mich nicht so lang da steh'n, ich muss um ein Häusl weiter geh'n.
Der Spruch in Banater Mundart
Ich sin a kleene Kenich, gebt mer net so wenich, losst mich net so lang do stehn, ich muss um a Heisl weite gehn.
Das waren die ersten Reime, die ich noch vor dem Kindergarten gelernt hatte. Lustig kam mir vor, dass ich noch gar nicht wissen musste, was man Erwachsenen eigentlich wünscht. Dafür wurde ungewöhnlich direkt gefordert, dass man ja nicht zu kurz kommen durfte, was die Entlohnung für die guten Wünsche betraf. Und auch das Rumstehen in der Kälte wollte man nicht, also schnell rein in die gute Stube!
Das feierliche Aufsagen dieses Sprüchleins war jedes Jahr obligatorisch. Mein Großvater beugte sich jedes mal danach herunter, gab mir einen Kuss auf den Haarwirbel und überreichte mir einen Umschlag mit einem Schein.
Meine Großmutter hatte zu Dreikönig immer Krapfen gebacken in die sie eine 1 Lei Münze versteckte. Beim anschließenden Kaffeetrinken wurde der Teller so gedreht, dass ich das präparierte Gebäck erwischte. Ich erkannte es schon an der seltsamen Verformung, die dadurch entstanden war, als man das Geld in den rohen Hefeteig gesteckt hatte und freute mich als hätte ich das große Los gezogen.
In München ging ich mit meinen Kindern natürlich auch zu meinen Eltern zum Dreikönigstag Wünschen. Ich sagte das Sprüchlein auf, das ich mir gemerkt hatte und wir wurden mit Krapfen bewirtet. Meine Mutter hatte immer in weiser Voraussicht mehrere Krapfen mit DM und später mit Euromünzen präpariert. Es sollte unter meinen drei Kindern keinen Streit um die begehrte Trophäe geben. Aus einem Leu wurden viele Euros, Inflation beim traditionellen Dreikönigs-Krapfenessen.
Auch heute noch empfinde ich am Dreikönigstag heimatliche Gefühle. Für Tertullian, den Römer, der über die Königsgleichen Besucher des Jesuskindes geschrieben hatte, bedeutete die Heimat auf Lateinisch "patria", wörtlich übersetzt "Land des Vaters".
Während ich diese Zeilen schreibe befinde ich mich mit meiner Familie in einem Hotel in der Steiermark in den Winterferien. Der Ort ist wunderschön aber eigentlich unwichtig, denn entscheidend ist, dass ich mit allen meinen vier Kindern zusammen bin. Ich werde sie heute Abend fragen, ob sie sich noch an unsere Dreikönigsfeste mit dem Wünschen und den Eurogespickten Krapfen erinnern können. An einen Brauch aus dem Banat, einer Region, die für sie nicht patria sondern "matria" heißen müsste.
Meine Tochter ist schwanger und wird bald selbst eine Tochter haben. Dann wird es an mir sein, ihr den lustigen, alten Spruch beizubringen, leicht verändert und angepasst: "Ich bin eine kleine Königin … "
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