Jubilar ohne Lorbeer: Zum 70. Geburtstag von Hans Rothgerber
Hans Rothgerber in Aktion. Fotos Astrid Ziegler
Der 70. Geburtstag ist ein bemerkenswertes Jubiläum im Leben eines Menschen, das gebührend Beachtung verdient. Das ist erst recht der Fall, wenn der Jubilar sich über viele Jahrzehnte in einer Gemeinschaft engagiert, so wie Hans Rothgerber unermüdlich für seine Banater Landsleute und vor allem für die Heimatgemeinschaft Billed tätig ist. In sieben Jahrzehnten, von denen er die eine Hälfte in Billed und die andere in seiner Wahlheimat Karlsruhe verbracht hat, sammelte er Wissen, Kenntnisse und Know How, die ihn dazu befähigen, einen bemerkenswerten Beitrag für die Erinnerungskultur der Banater Schwaben zu leisten.
Zuallererst wäre das Können des Jubilars, dessen runder Geburtstag am 30. Mai stattgefunden hat, im Zusammenhang mit Allem, was mit Fotografie und Bildbearbeitung zu tun hat, zu nennen. Als ich meinen ersten Artikel über eine Postkartensammlung für das Billeder Heimatblatt einreichte, wurde mir von der Redaktion mitgeteilt: “Für die Fotos ist der Rothgerber zuständig.” Und so nahm ich erstmals Kontakt zu Hans auf, der Postkarten und Album unbedingt im Paket zugeschickt haben wollte, um sie in perfekter Qualität und optimaler Farbgebung reproduzieren zu können. Da ahnte ich schon, dass der Macher des Billeder Heimatblatts ein ganz besonderes Faible für Bildqualität hat.
Das war ihm nicht unbedingt in die Wiege gelegt. Er wurde 1954 in Billed geboren, Eltern und Großeltern stammen aus ortsansässigen Familien, die über Generationen hauptsächlich in der Landwirtschaft beschäftigt waren. Die Familie hatte Krieg und Deportation ohne Verluste überlebt, die Großväter und der Vater waren von der Zwangsarbeit in der Sowjetunion zurückgekehrt. Hans erwähnt oft, dass es ein großes Glück war, dass bei ihnen “alle am Tisch saßen”. So verbrachte der Junge mit seinem Bruder eine unbeschwerte Kindheit und Schulzeit, zuerst in Billed und dann von 1969-1973 in Großsanktnikolaus. Im dortigen Lyzeum geriet er in das Umfeld der jungen Dichter um die Deutschlehrerin Dorothea Götz, die später die Aktionsgruppe Banat bilden sollten. So keimte schon im Jugendlichen in den Lyzeumsjahren der Wunsch nach künstlerischer Entfaltung und Kreativität auf.
Doch vorher sollten ein paar Jahre auf der Polytechnischen Hochschule in Temeswar absolviert werden, in denen der Student Hans Rothgerber sich eine technologische Allgemeinbildung aneignete. In sein Heimatdorf zurückgekehrt, begann er konsequent und zielstrebig sich dem Medium zu widmen, in dem er die Technikbegeisterung mit seiner künstlerischen Ader verbinden konnte: der Fotografie. Als Billeder Fotograf dokumentierte er in dem Jahrzehnt vor der Revolution unter Anderem die in der Gemeinde stattfindenden Feierlichkeiten: Kirchweihen, Beerdigungen, Hochzeiten oder Taufen.
Unter Dach im Goldenen Zeitalter ➜ Artikel über seine Kunstfotografie
Als er Anfang der 80er Jahre anfing, durch Mehrfachbelichtungen auf Dias surreal anmutende Bilder zu kreieren, etablierte er sich zusätzlich zur klassischen Fotografie im Temeswarer Fotoclub als Kunstfotograf. Sein Schaffen wurde im Jahr 1984 auf der Temeswarer Fotobiennale "fotoson", in der Königsdisziplin der damaligen Kunstfotografie auf Landesebene, mit dem Großen Preis gekrönt, trotz in den Bildern enthaltener subtiler Kritik an den damaligen Zuständen. Die Projektion bestand aus rund 40 Mehrfachbelichtungen auf Diafilm mit Hintergrundmusik unter dem Motto: „Versuche mit offenen Augen zu träumen, vielleicht gelingt es dir einen deiner (Alb)Träume zu fotografieren“. Diese Fotos sollte er einige Jahre später ein weiteres mal in Singen, einem Ort über 1200 km von Temeswar entfernt, ausstellen.
Wie viele Banater Deutsche seiner Generation sah Hans Rothgerber in der Diktatur keine Perspektive mehr und es reifte schon früh in ihm der Wunsch, das Land zu verlassen. Als im Herbst 1988 dieses Vorhaben gelang, ließ er sich in Karlsruhe nieder. Dort teilte er zunächst das Schicksal aller Auswanderer, die sich in der neuen Heimat eine neue Existenz aufbauen mussten. Er absolvierte eine Ausbildung zum Technischen Zeichner. Auf Jahre der selbständigen Tätigkeit als Grafikdesigner folgte eine Beschäftigung als Mediendesigner im Marketing bei einer auf computergestützte Messtechnik spezialisierten Firma in Stuttgart. Hier wirkte er maßgeblich am Wachstum und Erfolg des jungen Unternehmens mit. Darauf folgte eine Stelle im Bereich Webdesign und Public Relations bei einem Unternehmen für Umwelttechnik, in dem er seine Kenntnisse in neuen Medien umsetzen konnte.
Schon bald nach der Ankunft in Karlsruhe und noch während seiner Ausbildung war Hans Rothgerber für die Landsmannschaft der Banater Schwaben aktiv geworden. Im Jahr 1994 entstand der 100 Minuten lange Videofilm “Denkmal für Billed, Geschichte einer donauschwäbischen Siedlung im Banat”. Das Video, in dem das ehemalige Musterdorf Maria-Theresias erstmals auch von oben aus dem Hubschrauber zu sehen ist, wurde für die Heimatgemeinschaft Billed 1992-1994 produziert. In dieser Zeit haben sich Hans Rothgerber und Hans Herbst mehrmals für Videoaufnahmen nach Billed begeben. Hans Rothgerber zeichnet für Manuskript, Kamera, Grafik und Schnitt. Das Video ist seit 2016 auf heimathaus-billed.de zu sehen.
Ab 1993 sollte er zudem immer wieder Heimattage, Festumzüge und Feierlichkeiten der HOG Billed sowohl mit der Foto- als auch der Video-Kamera begleiten..
Seit 1996 gestaltet Hans Rothgerber außerdem Grafik, Layout, Satz, Umschlag und übernimmt Bildredaktion und Druckauftrags Abwicklung des Billeder Heimatblattes. Dieses avanciert unter seiner Ägide gegen den Abwärtstrend mit der starken Auflage von 1500 Exemplaren im Jahr 2015 zu einem der erfolgreichsten Jahresblätter der Banatschwäbischen Gemeinschaft.
Hans Rothgerber, der keine eigene Familie gegründet hat, kümmerte sich jahrelang hingebungsvoll um seine kränkliche Mutter. Nach ihrem Ableben nutzte er die frei werdende Zeit und Energie, um sich verstärkt für Belange und Projekte der Banater Deutschen zu engagieren und machte die im Laufe seines Berufslebens erworbenen Kompetenzen für die Gemeinschaft fruchtbar. In den folgenden Jahren entfaltete er sein ganzes Können, indem er Bücher, Broschüren, Kataloge, Webseiten, Ausstellungen und CD-Cover gestaltete, herausgegeben von Heimatgemeinschaften, dem Hilfswerk- und der Landsmannschaft der Banater Schwaben.
Schon im Jahr 2010 hatte Rothgerber, ein Verfechter der Digitalisierung, eine Webseite mit der Adresse heimathaus-billed.de geschaffen. Zusammen mit Werner Gilde, dem Vorsitzenden der HOG Billed und inzwischen 3 weiteren Mitarbeitern sowie über 80 Autoren trug er zu ihrem konsequenten Wachstum bei. Das virtuelle Heimathaus ist inzwischen eine wahre Fundgrube sowohl für Billeder als auch für Besucher, die sich für das Banat interessieren, und die dort über 500 Beiträge, 2.800 Fotos, 70 Videos, 50 Bücher und Publikationen, das Billeder Ortssippenbuch, eine Grabsuche auf den Billeder Friedhöfen, Ausstellungen, Statistiken, Audioaufnahmen, Links u.a. finden.
Festschrift zur 250 Jahrfeier mit QR-Code zur Website heimathaus-billed.de
Parallel zum digitalen Auftritt entstanden einige Ausstellungen unter seiner Konzeption, Redaktion und Gestaltung, die Billed zum Thema haben. Die beiden Ausstellungen “90 Jahre Freiwillige Feuerwehr” und “Streifzug durch das alte Billed” sind als Dauerausstellungen in der Gemeinde zu besichtigen. Vor allem der “Streifzug durch das alte Billed”, der 2015 bei der 250-Jahrfeier seit der Gründung der Gemeinde im Billeder Heimathaus, dem Sitz des Forum der Billeder Deutschen, eröffnet wurde, erfreut sich bis heute großer Beliebtheit. Im Erdgeschoss stehen 39 Großplakate zur Geschichte des ehemaligen Schwabendorfes, im Obergeschoss der Ausstellung befinden sich Gegenstände aus dem Alltagsleben der Dorfbewohner. Der Vorsitzende des Forums der Billeder Deutschen, Adam Csonti, hat seitdem zahlreiche interessierte Gruppen durch die Ausstellung geführt, zu den prominentesten Teilnehmern gehörten Minister mehrerer Bundesländer sowie Bürgermeister verschiedener Städte der Bundesrepublik und Rumäniens wie z.B. der Temeswarer Bürgermeister Dominic Fritz.
Umschlag des Katalogs mit QR-Code zur Website über die Ausstellungen
Im Jahr 2018 konzipierte Hans Rothgerber zusammen mit dem Ehrenvorsitzenden des Landesverbandes Bayern, Peter Krier, seine bisher letzte und bedeutendste Ausstellung mit dem Titel “Bilderwelt des Banater Malers Franz Ferch”. Schon einige Jahre zuvor hatte er sein Können durch Reproduktionen und Katalog des von Peter Krier initiierten Stefan-Jäger-Symposiums unter Beweis gestellt.
Als Förderer für das Ferch-Projekt konnten das Hilfswerk der Banater Schwaben, die Landsmannschaft der Banater Schwaben und das Haus des Deutschen Ostens München gewonnen werden, als
Partner fungierten das Kunstmuseum Temeswar und das Banater Nationalmuseum.
Die Eröffnung der Ausstellung fand beim Heimattag der Banater Schwaben 2018 in Ulm statt, danach wurde sie im Adam-Müller-Guttenbrunn-Haus, in Ingolstadt und an einigen weiteren Orten gezeigt. Rothgerber und Krier konnten ihre Ausstellung unkompliziert auf Wanderschaft gehen lassen, da sie auf Originale verzichtet haben. Stattdessen hatte Hans auf einer wahren Odyssee von über 10.000 km zu den verschiedenen Besitzern mittels speziell entwickelter Aufnahmetechnik hochwertige Reproduktionen der Ferch-Bilder angefertigt und daraus einen Katalog, eine Website als auch großformatige Plakate angefertigt - ein umfassendes Konzept, das damals in Banater Kreisen völlig neu war.
Hans Rothgerber startet eine seiner Fotodrohnen. Foto: Astrid Ziegler
Seit seinem Renteneintritt im Jahr 2020 widmet sich Hans Rothgerber verstärkt der Dokumentation und Weitergabe des Erbes der Banater Schwaben. Auch bereist er inzwischen mehrmals im Jahr das Banat, fotografiert, filmt und hält aktuelle Entwicklungen in Wort und Bild fest.
Das widerspiegelt auch sein neuestes Projekt, das er zusammen mit der Autorin dieses Artikels initiiert hat, die Website “banat-tour.de”, die demnächst 4 Jahre alt wird. Hans ist hier nicht nur für Design und Administration zuständig, auf dem Videokanal “banat tour” entstanden aus der Zusammenarbeit Rothgerber und Ziegler inzwischen über 50 Videos zu verschiedenen Themen rund um das Banat.
Im Juni 2022 organisierten die Macher der banat-tour.de im Billeder Heimathaus mit der Unterstützung des Kulturwerkes der Banater Schwaben Bayern, der HOG Billed und dem Forum der Billeder Deutschen den “Billeder KulTour-Tag” der große Beachtung fand.
Weggefährten und Kooperationspartner schätzen Kompetenz und Zuverlässigkeit von Hans Rothgerber bei allen gemeinsamen Projekten. Über die Professionalität hinaus verfügt er auch über Tugenden, die man nicht so oft findett: uneigennützige Hilfsbereitschaft, Taktgefühl und vor allem Bescheidenheit.
Sein großes Jubiläum am 30. Mai wollte er nicht publik machen und feierte in aller Stille. In der Öffentlichkeit zu stehen ist ihm unangenehm, er wirkt lieber im Hintergrund und überlässt die Lorbeeren des Erfolgs und den Ruhm gerne anderen. So wird es mit dem zu Ende gehenden Jahr 2024 höchste Zeit, sich anlässlich seines runden Geburtstags an die umfangreichen Verdienste um die Gemeinschaft der Banater Deutschen zu erinnern und ihn dafür zu ehren.
Voller Respekt für alles Geleistete darf ich vor allem im Namen der Billeder Heimatgemeinschaft, aber auch der Banater Landsleute aus anderen Ortschaften, die ihn kennen und schätzen, herzlich gratulieren. Lieber Hans, wir wünschen Dir alles Gute für das nächste Lebensjahrzehnt, Gesundheit, Glück und weiterhin viel Schaffenskraft!
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