nach einem Facebook Post von Emil Knöbl
Lieber Peter,
wir begleiten uns nun schon so lange durchs Leben, ich freue mich über Deine Freundschaft, ich freue mich, Dich als meinen Freund bezeichnen zu dürfen.
Kannst Du Dich noch an den Schulausflug, ca. 1969 erinnern?
Frau Neumeyer und Frau Hellmann haben einen Bus angemietet. Es war so ein blauer Mercedes Bus. Wir sind mit diesem und mit lauten Kindergeschrei, zur Wallfahrtskirche Maria Radna, gefahren. Frau Neumeyer, müssen wir in Uniform kommen?
Nein Emil, Ihr könnt in Freizeitkleidung kommen. Doch zieht Euch ordentlich an. In der Kirche sollte das eine Selbstverständlichkeit sein.
Nachdem im Bus die Sitzstreitigkeiten beendet waren - ich habe zum Glück einen Fensterplatz, neben mir sitzt Peter - hat unsere liebe Frau Neumeyer uns ein bisschen was zu Maria-Radna erzählt, um uns auf die Kirche einzustimmen. Bereits 1520, liebe Kinder, hat eine fromme Witwe, eine kleine Kapelle an der Stelle wo heute das Kloster steht, erbauen lassen. 1668 schenkte ein Kaufmann der Kapelle ein auf Papier gedrucktes Marienbild aus dem Atelier des Buchdruckers Remondini. 1695, als die Kirche von osmanischenTruppen niedergebrannt wurde, blieb das Gnadenbild unversehrt. Seither schreiben Gläubige dieser Ikone Wunderkräfte zu. 1750 erkannte die Kirche, Maria-Radna offiziell als Wallfahrtsort an.
Und schaut liebe Kinder, beim Eingang zum Kloster, genau hin. Da ist noch ein Hufabdruck eines osmanischen Reiters zu sehen. Das waren die gefürchteten Janitscharen.
Wir schauen uns verstohlen an. Ja, die Janitscharen, die besten und tapfersten türkischen Krieger, die sind auch noch heute in aller Munde. Und wir haben bei Frau Prof. Filipovitch viel über diese Krieger erfahren und sie auch fürchten gelernt. Obwohl sie ja schon längst nur noch Geschichte sind. Janitscharen, das verbreitet auch noch heute Angst und Schrecken. Frau Neumeyer erzählt uns weiter:
Der Erzbischof von Ungarn, Alexander Rudnay von Estergom, bescherte dem Gnadenbild zwei goldene Kronen als Weihgeschenk. Er hinterließ testamentarisch, das sein Herz nach seinem Ableben, in der Marienkapelle, bestattet werden soll. Es wird auch noch heute im Seitenaltar der Kapelle der Heiligen Mutter Anna, aufbewahrt. 1935 sind ca. 73.000 nach Maria Radna gepilgert.
Nachdem die kommunistische Partei Rumäniens, uns über die wahren Ziele der Kirche und Ihre Machenschaften dankenswerter Weise aufgeklärt hat, pilgern nur noch sehr wenige Gläubige nach Maria-Radna.
Wir steigen aus dem Bus und eilen zur Kirche. Jeder will als erster den Hufabdruck sehen. Beklommen und mit ehrfürchtigem Gesicht tauchen wir unsere Finger in das Becken mit Weihwasser und machen das Kreuz. Imposant und groß ist diese Kirche. Und unsere Blicke und unsere Gedanken sind nur bei dem deutlich zu sehenden Hufabdruck und dem darüber hängenden großen Bild. Wow, sehr beeindruckend.
Frau Neumeyer ruft uns zu:
Na gut Kinder, kommt wir fahren weiter. Unser nächstes Ziel ist die Schoimoscher Burg. Au ja, zur alten Burg. Das war für uns Jungs gewiss interessanter als ehrwürdige alte Kirchen zu besuchen. Und da mussten wir auch nicht so fromm durch die Gegend gucken. Ja, die alte Burg war viel interessanter. Und schon sind wir da. Die Burg liegt hoch oben auf einem Hügel. Der Aufstieg ist nicht gerade leicht, aber für uns junge Kinder, kein großes Problem. Kaum waren wir oben, da taucht so ein, für uns uralter Mann, auf.
Na endlich seid Ihr da. Ich warte schon lange auf Euch. Macht mal so einen Kreis um mich herum, ich erzähle Euch ein bisschen was über die Burg.
Und da er erkannte, dass wir Deutsche waren, erwähnte er auch noch den deutschen Namen der Burg, also Burg Falkenstein. Und der alte Mann erzählt uns, dass der Hügel 252 m hoch ist. Erstmals wurde die Burg 1278 erwähnt. Es gibt einen Burgfried, der älteste Teil der Burg. An der Nordseite des Traktes, gibt es noch einen Balkon, der als Isabella-Balkon bekannt ist. Im Südteil der Burg gibt es noch ein Ritterzimmer und eine Kapelle. Und er erzählt uns auch über die vielen Kriege, die hier ausgefochten wurden. Zwischen Türken, Ungarn, aufständischen Bauern, Österreichern, Siebenbürgern usw. Ab dem Jahr 1724 wurden deutschsprachige Siedler in der Gegend angesiedelt. 200 Familien aus Bayern und Sachsen kamen in das Gebiet der heutigen Gemeinde, einige davon auch in das Dorf Schoimosch.
Nach der Niederschlagung des großen Bauernaufstandes von 1785 wurde die letzte Garnison der Burg 1788 abgezogen. Seitdem begann der langsame Verfall der Burg. Der alte Mann wirkt erschöpft von dem vielen Reden, immer öfter greift er zu seiner Schnapsflasche, seine Worte werden immer konfuser und immer schwerer zu verstehen. Zeit für unsere Lehrerinnen Neumeyer und Hellmann, uns zur Heimfahrt zu rufen.
Schön langsam runter gehen Kinder, es ist sehr steil. Seid bitte vorsichtig.
Peter und ich haben aber noch nicht genug von der Burg. Heimlich und unauffällig entfernen wir uns von der Gruppe und suchen in der Ruine noch nach alten Kanonenkugeln, Schwertern, Helmen und ähnlichem Kriegsmaterial. Wir finden zwar nichts, aber im alten Gemäuer rum zu steigen, macht auch viel Spaß. Und so bemerken wir gar nicht wie schnell die Zeit vergeht. Die anderen sind schon fast unten, wir immer noch ganz oben. Au weia. Das gibt Ärger.
Peter, ich habe da eine gute Idee. Und die wird uns auch noch viel Spaß bereiten. Wir legen uns seitlich hin und lassen uns den ganzen Hügel runter rollen. So sind wir sehr schnell unten und haben auch viel Spaß dabei! Na das lässt sich Peter nicht zweimal sagen. Auf gehts. Wir rollen den Hügel runter. Mal sehen wer zuerst unten ist.
Am Anfang ist das sehr schön und lustig, doch das Lachen vergeht uns bald. Denn wir werden immer schneller und schneller und ein freiwilliges Anhalten ist nicht mehr möglich. Wir rollen immer weiter und aus dem heiteren Lachen wird ein lautes Schreien. Und aus dem lauten Schreien wird ein lautes, undefinierbares Gebrüll. Über Stock und Stein geht das irre rollen, auf der gesamten Haut gibt es schon keine Stelle mehr ohne Abschürfungen und blauen, dicken Blutergüssen. Wir spüren alle Knochen unseres Leibes, Arme und Beine versagen Ihren Dienst und kugeln nur noch mit uns abwärts. Mein Gott sind wir schnell. Der Kopf dröhnt und alle Muskeln sind nur noch ein einziger Krampf. Wie weit müssen wir noch rollen um unten anzukommen? Ist da niemand der uns anhält, ist da niemand der sich uns todesmutig in den Weg stellt und unsere rasante Abfahrt aufhält? Und wir rollen und wir rollen, rollen ohne Ende.
Und zum Glück rollen wir am Fuße des Hügels so langsam aus. Wir liegen da ganz still und freuen uns noch am Leben zu sein. Wir schauen uns an, können aber noch kein Wort sprechen.
Und da spüre ich einen kräftigen Zug an meinem rechten Ohr. Und so komme ich wieder auf die Beine. Frau Neumeyer zieht an meinem rechten Ohr und Frau Hellmann, den Peter am linken Ohr.
Natürlich der Emil und der Peter! Was seid Ihr nur für unartige Kinder! Schämt Ihr Euch nicht?! Morgen sollen bitte Eure Eltern in die Schule kommen. Die werden alles über Euch erfahren!
Peter und ich schleichen unauffällig zum Bus. Wir schauen uns an, überlegen ein klein wenig und plötzlich müssen wir laut und herzhaft lachen.
Und schön war es ja doch! Und so schnell war auch noch keiner unten!
Wir waren jung, wir waren unüberlegt, wir waren froh unten heil angekommen zu sein. Das Donnerwetter der Eltern werden wir auch überstehen.
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