Ein Tag des Gedenkens – ein Tag des Zusammenhalts – ein Tag der Geschichte
Im Januar 2025 gedenken wir der Deportation der Banater Schwaben und Siebenbürger Sachsen in die Sowjetunion, die vor 80 Jahren erfolgte. Ab Anfang des Jahres 1945 wurden über 70.000 Deutsche aus Rumänien aus ihren Familien gerissen, in Viehwaggons gepfercht und auf eine wochenlange Fahrt ins Ungewisse in die heutige Ukraine. Aus diesem Anlass organisierte der Kreisverband Karlsruhe der Landsmannschaft der Banater Schwaben am Samstag, den 18. Januar eine besondere Gedenkveranstaltung, um an dieses schmerzhafte Kapitel der Geschichte der Deutschen aus Rumänien zu erinnern, das die Leben und Schicksale zahlreicher Menschen nachhaltig geprägt hat.
Die Internierung von Angehörigen der deutschen Minderheiten aus Rumänien in sowjetische Arbeitslager, die Männer im Alter von 17 bis 45 Jahren und Frauen zwischen 18 und 30 Jahren betraf, dauerte bis 1949 an. Tausende Menschen wurden Opfer dieser Maßnahmen, die tiefes Leid und schwerwiegende Konsequenzen für die betroffenen Familien mit sich brachten.
Die Gedenkfeier begann um 14:00 Uhr am Billeder Denkmal auf dem Karlsruher Hauptfriedhof. Dort fanden sich trotz frostiger Temperaturen ca. 40 Teilnehmer ein. Der Vorsitzende des Kreisverbands Karlsruhe Werner Gilde hielt eine Rede, in der er auf die Umstände und die Leiden der Verschleppung in die Sowjetunion einging sowie auf die hohe Todesrate unter den Zwangsarbeitern. Seine Ausführungen endeten mit dem Hinweis, dass in der Region im Donbass wieder Krieg herrscht und unschuldige Menschen Hauptleidtragende sind. Anschließend trug Frau Gerlinde Gilde ein Gedicht von Olga Schuch aus Reschitza vor, in der die Schrecken der Deportation in Versform thematisiert sind. Danach trat Frau Elisabeth Luckhaup ans Mikrofon um mit der versammelten Gemeinschaft zu beten und der Toten zu gedenken. Abschließend fand eine feierliche Kranzniederlegung statt, um der Toten zu gedenken und die Erinnerung an die Deportierten zu ehren. Eine Präsenz von Fahnen der Heimatortsgemeinschaften rahmte das feierliche Geschehen ein, darunter die Fahne der HOG Jahrmarkt, aufgestellt von Familie Susanne und Franz Barth aus Rastatt sowie die Fahne der HOG Ebendorf, aufgestellt von Familie Anna und Cornel Simionescu Gruber aus Friedrichsthal.
Ab 15:00 Uhr fand der zweite Teil der Gedenkveranstaltung im St. Hedwig Gemeindezentrum in Karlsruhe-Waldstadt statt. Rund 100 Teilnehmer, darunter viele Kinder und Enkelkinder der Deportierten, kamen zusammen, um gemeinsam zu gedenken und sich kollektiv zu erinnern. Unter den Teilnehmern war auch Herr Anton Köhler, ein 96-jähriger Zeitzeuge aus Sanktanna, der mit nur 16 Jahren verschleppt wurde. Seine Anwesenheit verlieh der Veranstaltung eine besondere Würde und unterstrich eindrücklich die persönliche Dimension des historischen Geschehens.
Das vielfältig gestaltete Programm kombinierte Vorträge, musikalische Beiträge, spirituelle und rituelle Momente des Gedenkens. Eröffnet wurde die Feier mit dem gemeinsamen Singen der Nationalhymne der Bundesrepublik Deutschland. Darauf begrüßte Werner Gilde, Vorsitzender des Kreisverbandes Karlsruhe, der Landsmannschaft der Banater Schwaben, die Anwesenden.
Es folgte eine Darbietung des Chores der Banater Schwaben Karlsruhe. Mit Liedern wie „Die Himmel rühmen“ und „Großer Gott, wir loben dich“ sorgte der Chor der Banater Schwaben Karlsruhe unter der Leitung von Sonja Salman für eine feierliche und andächtige Atmosphäre. Stimmungsvolle Lieder der Solistinnen Irmgard Holzinger-Fröhr und Melitta Giel wie „Möwe, du fliegst in die Heimat“ drücken die Sehnsucht und den Schmerz der Deportierten musikalisch aus.
Der Moderator Dietmar Giel beleuchtete in seinem Vortrag die politischen Hintergründe der Deportationen der deutschen Minderheiten nach Russland in den Jahren 1945-1949. Dabei setzt er die Ereignisse in einen größeren historischen und politischen Kontext. Die Deportationen, die unter dem Vorwand der Kollektivschuld für die Zerstörungen durch Hitlerdeutschland durchgeführt wurden, waren Teil der Nachkriegsstrategie der Sowjetunion, um Arbeitskräfte für den Wiederaufbau einzusetzen.
Giel erklärte, wie geopolitische Entscheidungen, wie die Vereinbarungen der Alliierten während der Konferenzen von Jalta und Potsdam, die Grundlage für diese Maßnahmen schufen. Er analysierte auch die Rolle der sowjetischen Besatzungspolitik und die Auswirkungen auf die betroffenen Gemeinschaften, insbesondere die Banater Schwaben und Siebenbürger Sachsen. Der Vortrag verknüpfte die historischen Ereignisse mit den persönlichen Schicksalen der Deportierten, um ein umfassendes Bild der Ursachen und Folgen dieser Tragödie zu zeichnen.
Durch diese fundierte Darstellung wurde deutlich, dass die Russlandverschleppungen nicht nur individuelle, sondern auch kollektive Traumata hinterließen, deren Auswirkungen bis heute spürbar sind.
Der Referent Walter Schneider teilte die persönlichen Erlebnisse seines Vaters aus der Zeit der Deportation. In einem Vortrag über und aus den verschriftlichten Erinnerungen seines aus Großkomlosch stammenden Vaters Hans Schneider (1926-2017) “Mein Leidensweg -die Russlandverschleppung 1945-1949” wechselten sich abgelesene und frei aus dem Gedächtnis vorgetragene Passagen.
Diese berührenden Erinnerungen gaben einen eindrucksvollen Einblick in die Härte und das Leid, das die Betroffenen ertragen mussten.
Hans Schneiders Erinnerungen an die Russlandverschleppung 1945–1949 sind ein wichtiges Zeugnis des Leidens der deutschen Minderheit in Rumänien. Nach Jahrzehnten des Schweigens begann er in späteren Jahren, seine Erlebnisse aufzuschreiben, um das kollektive Trauma aufzuarbeiten. Wie ein roter Faden des Leidens zogen sich die Begriffe Heimweh, Hunger und Kälte durch diese Erinnerungen, die aber auch von Stärke, Durchhaltewillen und Hoffnung geprägt sind.
Astrid Ziegler ergriff das Wort für die Enkelgeneration und führte aus, wie auch diese von dem Deportationsschicksal ihrer Großeltern berührt wurde. Ihr Vortrag begann mit einer biografischen Erzählung über ihren Großvater Anton Höckl, der in seiner Jugend Athlet in der rumänischen Nationalmannschaft gewesen war. Am 14. Januar wurde er in Perjamosch abgeholt, aus seiner Familie gerissen und ließ seine Frau und zwei Kleinkinder zurück. In der Deportation kämpfte der ehemalige Spitzensportler laut der Enkelin in einem „Dekathlon der Entbehrungen“ gegen Hunger, Kälte, Krankheit und Erschöpfung, aber auch gegen Demütigung und Hoffnungslosigkeit. Mit Überlebensstrategien wehrte er sich gegen die brutalen Bedingungen in den Zwangsarbeitslagern an, mit viel Glück wurde er erkrankt entlassen und kehrte zu seiner Familie im Banat zurück.
Eine weitere Lesung von Astrid Ziegler beschäftigte sich mit den Auswirkungen der Deportation auf die Familie im Allgemeinen und wurde anhand der Interpretation zweier Bildern des Banater Malers Franz Ferch illustriert.
Franz Ferchs Gemälde, wie „Wann kommen Vater und Mutter“ und „Kennscht mich nimmer“, zeigen eindringlich die Folgen der Verschleppung auf die Zurückgebliebenen: die Trennung von Eltern und Kindern, die verzweifelte Hoffnung auf Wiedersehen und die schwierige Rückkehr in zerstörte Familienstrukturen.
Die Großeltern trugen eine immense Verantwortung, während die Eltern in den Lagern litten. Kinder verloren oft Jahre der Bildung und mussten früh arbeiten. Die Rückkehr war kein Ende des Leids, sondern ein Neubeginn – geprägt von Fremdheit und dem Versuch, Vertrauen wieder aufzubauen.
Zum Vortrag von Astrid Zieger gab es eine Bildprojektion von Hans Rothgerber, der auch historische Fotos und Zeitdokumente ausgestellt hat.
Danach folgte ein Zeitzeugenbericht über Frauen, die in der Deportation geboren haben, vorgetragen von Gerlinde Gilde.
Zum Totengedenken gemahnten am Ende der Veranstaltung das gemeinsame Gebet mit Elisabeth Luckhaub und die Musikalische Darbietungen „Ich bete an die Macht der Liebe“ und „Segne Du, Maria“ durch den Chor der Banater Schwaben Karlsruhe. Die Verbindung zur verlorenen Heimat symbolisiert das Abschlusslied „Glocken der Heimat“.
Zum Gelingen der Feier trug auch Kaffeeausschank und ein Buffett mit von Frauen des Kreisverbandes gespendeten Torten bei.
Die Veranstaltung endete mit den Schlussworten von Werner Gilde, der die Bedeutung des Gedenkens für die soziale Gemeinschaft betonte. Indem das erfahrungs- und erlebnisbestimmte individuelle Erinnern, weiter getragen in die Familie und den Verwandtenkreis, eine schriftliche Aufzeichnung und intellektuelle Reflexion erfuhr, bleibt es als kollektives Erinnern erhalten.
Die Veranstaltung diente nicht nur dem Gedenken an die Opfer, sondern auch der Mahnung. Sie rief dazu auf, aus der Vergangenheit zu lernen und das Bewusstsein für die Bedeutung von Menschenrechten, Freiheit und Zusammenhalt zu schärfen.
Dies gilt vor allem, da die Geschehnisse von vor 80 Jahren durch den aktuellen Krieg in der Ukraine eine bedrohliche Gegenwärtigkeit bekommen haben.
Das Zusammenkommen von Nachfahren, Zeitzeugen und Interessierten zeigte, dass Erinnerung nicht nur eine individuelle, sondern auch eine gemeinschaftliche Aufgabe ist. Die Deportation der Deutschen aus Rumänien zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion ist fest verankert im kollektiven Gedächtnis und Teil der Erinnerungskultur der Banater Schwaben und Siebenbürger Sachsen.
An dem würdigen Tag des Gedenken, des Zusammenhalts und des Erinnerns des Kreisverbands Karlsruhe wurde dies wieder einmal überaus deutlich.
Ottmar Liep hat die Veranstaltung in dem Video 80 Jahre Deportation der Banater Schwaben und Siebenbürger Sachsen ausführlich dokumentiert.
Lieber Hans, die knapp zwei stündige Dokumentation von Ottmar Liep habe ich mir gerade angeschaut. Es war m.E. eine schöne und würdige Veranstaltung.
Gruß Dietmar